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Das "Wort zum Donnerstag" von Bürgermeister Felchle
Volkstrauertag 2020
Am Sonntag, 15. November 2020 begeht Deutschland den Volkstrauertag. Das Gedenken gilt den Aber-Millionen von Opfern der Weltkriege des 20. Jahrhunderts und der Nazi-Gewaltherrschaft, ebenso den Getöteten und Verletzten des Terrors und der Kriege unserer Tage.
Wer Krieg oder die Menschenverachtung einer Diktatur erlitten hat oder jetzt gerade (!!!) erlebt, weiß, wie furchtbar das Leben sein kann, wie unausrottbar dumm wir Menschen im Umgang miteinander waren, sind und wohl leider auch bleiben.
Wer solcherart oftmals jahrelang andauernde Katastrophen überlebt hat – „irgendwie“, körperlich oder/und seelisch verwundet, schwerkrank, mittel-, heimat-, arbeitslos – der weiß einzuschätzen, wie unglaublich und schier unverschämt gut es uns heute geht in der „freien Welt“, in Europa, in Deutschland nicht zuletzt. Materiell, aber auch ideell: Vermögen, Essen und Trinken vom Feinsten (und längst nicht mehr zur bloßen Lebenserhaltung, sondern weil´s Spaß macht!), Gesundheitsvorsorge, Häuser, Wohnungen, Autos, Reisen, öffentliche Infrastruktur, Kultureinrichtungen, Freizeitparks, Clubs, Kneipen, Parties … aber nicht zuletzt auch Demokratie, freie Meinung, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit…
Wer Krieg erdulden muss(te) oder auch, wer in früheren Zeiten Epidemien zu überstehen hatte, der weiß ganz sicher NICHT, woher er/sie Verständnis hernehmen soll für das wehleidige Getue, das viel zu viele von uns an den Tag legen, weil die „Corona“-Pandemie (bzw. „die Politiker“, die sich „natürlich mal wieder als doof, unfähig, abgehoben, machtbesessen“ herausstellen …) doch glatt dazu zwingt, mal ein bisschen was vom geradezu egomanen Anspruchsdenken unserer verwöhnten und verzogenen Über-Wohlstandsgesellschaft einzuschränken.
Die erneut verschärften Corona-Verordnungen von Bund und Land sind natürlich nicht spaßig. Aber sie sind unzweifelhaft notwendig und (gerade in einem Rechtsstaat!) unbedingt einzuhalten, liebe Leserinnen und Leser!
Wenn nicht jetzt, wann dann merken all die sich unverschämter Weise auch noch zu vermeintlichen Verfassungsverteidigern aufschwingenden „Corona-Leugner“ und „Verschwörungstheoretiker“, aber genauso auch all die egoistischen und ignoranten „Spaß-Bürger“, dass tödlich ernst ist, was derzeit bei uns und mit uns passiert?!
Jeden Tag sterben auf unserer Welt Tausende von Menschen an „Corona“, infizieren sich Hunderttausende mit dem Virus, erkranken Tausende schwer und oftmals mit dauerhaften Folgen – nicht „irgendwo“, nein, hier, bei uns, bei Dir, in Deiner Gemeinde, in Deiner Nachbarschaft!
In früheren Seuchen-Zeiten haben sich Menschen aus Angst vor Ansteckung und Tod freiwillig verbarrikadiert in ihren Wohnungen – heute tun noch immer jede Menge Zeitgenossen so, als kämen die Kontakteinschränkungen der Verordnungen lebenslanger Kerkerhaft gleich.
Mir tun die Menschen, die durch Ver- und Gebote in ihrer beruflichen Existenz bedroht sind, sehr leid – und ich erwarte deshalb, dass unsere (über-) reiche Gesellschaft Wege und Mittel hat, die Verluste auszugleichen bzw. zumindest abzufedern. Aber, sorry: Es ist einfach ein Unding, Theater- oder Konzertbesuch, ein schönes Essen mit Freunden im Restaurant, „Malle-Party“ bis zum Abwinken, Shoppen oder City-Bummel ohne diese lästigen Masken, auch Sport-Treiben bzw. -Sehen (und das schreibt der Präsident des Württ. Landessportbundes!) … auf eine Stufe mit Lebensgefahr für andere Menschen (Was jeder mit dem Risiko für sein eigenes Leben macht, juckt mich ehrlich gesagt allmählich nicht mehr arg.) zu stellen.
Diese „Mir-doch-egal-Haltung“ ist schlicht und ergreifend asozial.
Und sie ist auch deshalb richtig dumm, weil „Corona“ eine weitere „tödliche Gefahr“ heraufbeschwört: Falls es uns im Laufe der nächsten Wochen und Monate nicht gelingen sollte, die Lage in den Griff zu bekommen, droht Wohlstands- und Wohlfühl-Deutschland ab 2021 ein auch gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Niedergang, der uns ruck-zuck dahin zurückwerfen kann, wo unsere vom 2. Weltkrieg erschütterten Vorfahren neu angefangen haben. – Dann, liebe „Freiheits-Verteidiger“ bis hin zum „Herrn“ Ehrenvorsitzenden der AfD (Das ist der Mann, der die millionenhafte Ermordung von Menschen und die Verantwortung für rund 60 Millionen Tote des 2. Weltkriegs als „Fliegenschiss deutscher Geschichte“ bezeichnet hat.) mit seinem ekelerregenden Versuch, sich zum Retter des Grundgesetzes zu stilisieren, dann könnt Ihr Euch, dann können wir uns alle für sehr lange Zeit abschminken, Arbeit, Geld, Kraft genug zu haben für all die Annehmlichkeiten des für selbstverständlich genommenen Konsum- und Freizeitlebens, das längst die Dimensionen antik-römischer Dekadenz angenommen hat!
Nochmal: Die Corona-bedingten Vorgaben sind nicht spaßig.
Aber so was von gut, ja, leicht zu ertragen in unserem Land.
Deshalb fällt es mir auch nicht besonders schwer, hiermit bekanntzugeben, dass der Volkstrauertag 2020 nicht so begangen werden kann, wie wir das in Maulbronn, Schmie und Zaisersweiher gewohnt sind:
Die traditionellen Gedenkstunden bei den Mahnmalen auf den Friedhöfen müssen dieses Jahr leider ausfallen.
Das ändert aber überhaupt nichts daran, die unzähligen Opfer in guter Erinnerung zu behalten, nichts am Auftrag, aus den vom Mensch verschuldeten Menschheits-Katastrophen endlich Lehren zu ziehen.
Auch im Namen des Gemeinderates bitte ich alle am Volkstrauertag und seiner Idee Interessierten um Verständnis und ermutige sie, in Gedanken und mit den Herzen dabei zu sein, wenn ich für unsere Stadt auch ohne Gedenkveranstaltung Kränze an den Mahnmalen niederlege.
Andreas Felchle
Bürgermeister