Forstwirtschaft
icon.crdate29.06.2022
Der Waldrand - Übergang zwischen der offenen Landschaft und dem Wald
Der Waldrand - Übergang zwischen der offenen Landschaft und dem Wald
Unser Wald ist unsere grüne Lunge. Er ist ein wertvolles Biotop und bildet die Lebensgrundlage zahlreicher Arten – auch für uns Menschen.
Dem Waldrand kommt eine hohe ökologische Bedeutung zu, auf die Forstrevierleiter Ulrich Klotz aufmerksam machen möchte. „Die dort angesiedelten Sträucher sind keine wertlosen Hecken!“, hebt der Stadtförster im Gespräch mit Kämmerin Anja Klohr hervor und führt weiter aus:
„Charakteristisch für einen Waldrand oder Waldtrauf ist die vielfältige Zusammensetzung aus mehreren Strauch- und Baumarten. In der Strauchzone wachsen unsere heimischen Sträucher. Das sind die Schlehe, die Heckenrose, der Weißdorn, der Liguster, die Brombeere, der Hartriegel und der Holunder. Neben diesen häufigen Arten gibt es natürlich noch viele andere mehr. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie im Frühjahr blühen. Die Blühten suchen die Insekten auf. Sie finden hier ihre Nahrung, den Nektar und den Pollen. Später im Jahr reifen die Früchte, die Beeren, aus und sind von Vögeln und Kleinsäugern heiß begehrt. Ohne sie wäre das Nahrungsangebot für unsere Singvögel begrenzt. Das Strauchwerk bietet auch einen Schutz und ist daher der ideale Ort zum Bau der Vogelnester. Praktischerweise leben auch viele Insektenarten, wie Käfer, Blattläuse, Fliegen, Schlupfwespen und Spinnen in diesem Lebensraum und dienen den Vögeln wiederum als Nahrung. Dort wo sich die Haselnuss dazu gesellt, finden sich auch Kleinsäuger, wie zum Beispiel die Haselmaus, der Siebenschläfer, die Waldmaus und das Eichhörnchen ein. In den kühlen Schatten der Sträucher ziehen sich zudem die Blindschleiche und der Igel gerne zurück. An sonnigen Stellen baut dagegen die Große Waldameise ihren Hügel auf.
Fast genauso wichtig wie die Sträucher sind verschiedene Kräuter am Boden. So sind beispielsweise einige Schmetterlingsraupen auf das Vorhandensein von Brennnesseln, der Knoblauchrauke oder des Rainfarns angewiesen. Fehlen diese, können sich die Raupen nicht weiterentwickeln und sich nicht zum Schmetterling verpuppen. Diese Kräuter dürfen daher auch nicht vor dem Schlüpfen der Schmetterlinge abgemäht oder gemulcht werden. Die Samen der Pflanzen sollen zudem ausreifen und das Vorkommen der Art im Folgejahr sicherstellen. So kann die Krautschicht am Waldrand auch zum Rückzugsort für seltene Arten wie Orchideen werden.
Auch Bäume wie die Elsbeere, die Eberesche und die Vogelkirsche blühen im Frühjahr und tragen später Beeren. Sie sind daher am Waldrand in der Baumzone die ersten. Die Baumzone beginnt idealerweise hinter der Strauchzone. Die Bäume stehen dabei unregelmäßig und locker verteilt, so dass immer genügend Sonnenlicht die Strauch- und Krautschicht erreicht. Denn ohne Licht gehen diese ein und der Waldrand verarmt.
Leider bieten viele unserer Waldränder heute ein trauriges Bild. Mächtige schattenspendende Bäume stehen vielerorts direkt am Waldrand, ihre Äste ragen weit in die Grundstücke der Anrainer hinein und sorgen dort für Verärgerung. Denn die Landwirte können oft wegen dem Astwerk ihre Flächen nicht mit Maschinen bearbeiten. Unter den Bäumen finden wir nur spärliche Reste einer Strauchschicht, die weder blüht noch Früchte trägt. Ein solcher Waldrand mag vielleicht ästhetisch schön sein, ökologisch ist er wertlos.
Im Stadtwald Maulbronn will man Waldränder im beschriebenen Sinn entwickeln. Dies geht natürlich nur, wenn zuerst die schattenspendenden Bäume direkt an der Grundstücksgrenze entnommen werden, damit die Kräuter und Sträucher in den Genuss von Sonnenlicht kommen. An der Kreisstraße 4513, am „Roten Buckel“, haben in diesem Winter bereits Pflegearbeiten zur Waldrandentwicklung stattgefunden. Die Kraut- und Strauchzonen entwickeln sich erfreulicherweise bereits deutlich sichtbar.“
Stadtförster Ulrich Klotz bittet alle Akteure in Feld und Wald, auf solche bestockungsfreie Waldstreifen Rücksicht zu nehmen. „Nicht jedem ist klar, dass sich aus zierlichen Stockausschlägen ökologisch hochwertige Strauchstrukturen entwickeln sollen und dass Brennnesseln für die Fortpflanzung von Schmetterlingen wichtig sind!“