Wichtige Tage …
… erleben wir in dieser Woche, liebe Leserinnen und Leser!
Heute werden unser Grundgesetz und damit die Bundesrepublik Deutschland 70 Jahre alt.
Die deutschen Kriegsverlierer und ihre westlichen Bezwinger bzw. Befreier, die deshalb (wenn auch nicht ohne Eigennutz) zu Partnern wurden, schufen eine Verfassung, welche aufbaut auf den Werten christlich-jüdischer Tradition, auf den Errungenschaften der (leider gescheiterten) Paulskirchen-Verfassung von 1848/49 und den positiven wie negativen Erkenntnissen aus der Verfassung von Weimar 1919. – Es entstand ein Gesetzeswerk von internationalem Rang und überragender nationaler Bedeutung: Seit siebzig Jahren ist Deutschland ein freiheitlicher demokratischer Rechtsstaat mit sozialer Marktwirtschaft, hat mit und in diesem System einen Aufschwung genommen, der schier unbegreiflich ist, hat uns Rechte, Chancen, Möglichkeiten, Wohlstand eingebracht auf allerhöchstem Niveau.
Dieses Grundgesetz, diese Bundesrepublik waren und sind so erfolgreich, dass der fast gleichzeitig entstandene Staat in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone, die DDR, vierzig Jahre später „die weiße Fahne hissen musste“, 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer die Wiedervereinigung eingeläutet wurde.
Unser Grundgesetz ist von Anfang an nicht zuletzt auch so konzipiert worden, dass sich das neue demokratische, freiheitliche Deutschland zu internationaler Zusammenarbeit, zum Frieden letztlich verpflichtet. Es kommt nicht von ungefähr, dass Staatsmänner (und –frauen!) wie Theodor Heuss, Carlo Schmid oder Konrad Adenauer aus der Katastrophe der beiden Weltkriege die wundervolle Konsequenz gezogen haben, Deutschland zu vernetzen mit und in Europa, Grenzen zu öffnen, Menschen auf unserem Kontinent (und darüber hinaus) zusammenzuführen, miteinander ins Gespräch zu bringen. – Nichts sichert Frieden mehr unter uns Menschen als persönliche Bekanntschaft!
Am kommenden Sonntag sind einmal mehr Wahlen, Volksabstimmungen also in unserer Herrschaft des Volkes. Das ist auf die Gesamtheit der Menschheitsgeschichte und nicht zuletzt jene der Deutschen betrachtet alles andere als selbstverständlich! Auch Frieden und Recht und Freiheit und Wohlstand und … sind überhaupt nicht selbstverständlich! Das glauben derzeit (allzu) viele in unserem Land und in anderen europäischen Staaten: Man „nimmt alles mit“ an Vorteilen, welche unser Gesellschaftssystem, welche unsere Europäische Union bietet – aber nicht nur, dass man nicht (mehr) dafür eintritt, man macht es sogar madig.
Eine unserer demokratischen Parteien in Deutschland wirbt (verkürzt) mit „Europa ist nicht perfekt. Aber ein guter Start!“ Nein, Europa ist natürlich nicht perfekt, weil nichts perfekt ist, weil wir Menschen allezeit fehlerbehaftet sein und bleiben werden. Aber es ist meines Erachtens sogar viel mehr als ein „guter Start“: Ohne Europa wären wir alle seit Jahrzehnten NICHTS. Jeder einzelne EU-Mitgliedsstaat, auch die (nur vermeintlich) so wirtschaftsstarke Bundesrepublik wäre längst erledigt. Das sollte jeder Vernunftbegabte wissen. Und das MÜSSEN unsere Volksvertreter wissen und in die Bevölkerung hinein multiplizieren. Das MÜSSEN nicht zuletzt auch die Menschen und Politiker von Polen bis Ungarn wissen, die vor rund 30 Jahren die historisch sensationelle Chance erhielten, ein völlig kaputtes, vor allem aber menschenunwürdiges System hinter sich lassen und sehr schnell (objektiv betrachtet wahrscheinlich zu schnell) Teil der Europäischen Union werden zu können. Stattdessen schwadroniert eine Frau Le Pen („Front National“/Frankreich) von einer „neuen Super-Fraktion im Europaparlament“; stattdessen wird dort eine „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ entstehen unter Beteiligung zum Beispiel der ungarischen „Konservativen“, die seit Jahren europäisches Recht brechen, indem sie ihre Grenzen abriegeln, einer sogenannten „freiheitlichen Partei“ in Österreich, welche dieser Tage offenkundig macht, wes Geistes Kind die sogenannten „Vaterlands-Parteien“ sind … und manche Deutsche mischen munter mit!
Am Sonntag sind auch die überaus wichtigen Kommunalwahlen. Ich werde die nächste Ausgabe des Mitteilungsblattes nutzen, deren Bedeutung für Maulbronn und deren Ergebnisse in den Fokus zu rücken. Erlauben Sie mir bitte heute, die Wahl zum Europäischen Parlament zum Hauptargument für meine Bitte, nein, Aufforderung zu machen, sich an den Wahlen mit bewusster Stimmabgabe zu beteiligen – mit Verstand, nicht in „emotionaler Aufwallung“, mit Sinn fürs Gemeinsame, Gemeinschafts- und Friedensstiftende, nicht mit überbordendem Individualismus, mit Ab- und Ausgrenzung. (Die es übrigens auch im Maulbronner Gemeinderats-Wahlkampf gibt …)
Einer der größten Verbrecher und teuflischen Verführer der Menschheitsgeschichte, Nazi-Propagandachef Joseph Goebbels, hat in den 1930er-Jahren gesagt: „Es wird wohl immer einer der besten Witze einer Demokratie bleiben, dass sie ihren Todfeinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde.“ Er hat damit die Entscheidung seines irrsinnigen „Führers“ beschrieben, die NSDAP über den „Marsch durch die Parlamente“ an ihr katastrophales Ziel diktatorischer Vernichtungsherrschaft zu führen.
Lassen wir es nicht zu, dass die so wichtige Wahl zum Europaparlament eine „Allianz der Völker und Nationen“ stärkt, die kein anderes Ziel hat, als Europa abzuschaffen!
Andreas Felchle
Bürgermeister