Das Kloster Maulbronn und die Literatur aus Schwaben
icon.crdate28.10.2024
Rückblick auf die Veranstaltung vom 25.10.2024
Zu einem literarisch-kulinarischen Abend hatten Martin und Karin Ehlers am vergangenen Freitag in den rustikalen Eselstall des Klosters Maulbronn eingeladen und gut 30 Gäste versammelten sich ums Feuer, um sich an Worten, Speis und Trank zu laben.
Mit einer geografischen Einordnung der Region Schwaben im Wandel der Zeit begann Maulbronns Stadtarchivar Martin Ehlers den Abend. Er entzauberte sodann die bekannte Maultierlegende und die Geschichte vom Raubüberfall auf die Maulbronner Zisterzienser als Versuche, politische Motivationen zu vertuschen und den Mythos der Weltabgeschiedenheit aufrecht zu erhalten und schlug danach einen weiten Bogen zu Geistesgrößen der schwäbischen Dichterschule im 18. und 19. Jahrhundert, aus deren Werken er unterhaltsam einige Perlen vortrug.
So war etwa die Ballade „Das Gewitter“ zu hören, die aus der Feder des Pfarrers und Gymnasiallehrers Gustav Schwab stammt und die Vernichtung von vier Generationen durch eine Naturgewalt schildert. Es folgte die letzte Strophe aus Justinus Kerners Hymne der Württemberger, in der die Untertanen als eigentlicher Reichtum des Landes benannt werden: das Humankapital als Standortfaktor. Zum Schmunzeln präsentierte Ehlers eine Anekdote über den romantischen Geisterseher Kerner, der zeitweise im Maulbronner Jagdschloss wohnte und des Nachts oft schaudernd mit einem Laternchen im Kreuzgang des Klosters unterwegs war. Weniger bekannt, doch ebenfalls bedeutender Teil der schwäbischen Gedankenschmiede war Christian Wagner, ein eigenbrötlerischer Bauer aus Warmbronn bei Leonberg, der laut Theodor Heuss als personifiziertes gesellschaftliches Gewissen in seiner Dichtung die Achtung vor Natur, Tier und Mensch besang, gleichwohl er „d´ Stund´“, d.h. die Bibelstunde, ganz gerne schwänzte. In Rottenberger Mundart gab Ehlers noch Sebastian Blaus Gedicht vom Gesangsverein zum Besten, bevor er auf die großen Dichter und Denker Schiller, Hölderlin und Schubart zu sprechen kam. Schillers Räuber, so Ehlers, seien Dynamit gewesen, von dem der Funke auf Hölderlin übergesprungen sei, der sich später als glühender Verfechter der französischen Revolution aussprach, in jungen Jahren jedoch aus Maulbronn in seinen Briefen an die Frau Mama eher über Nahrungssorgen und nächtliche Trotzgesänge der Klosterschüler ausließ. Wie Schiller hat auch Schubart gegen den Herzog revoltiert. Seine Verunglimpfung von Herzog Carl-Eugens geliebter Franziska von Hohenheim führte zu seiner Verhaftung, die ihn wiederum zu dem später von Schubert vertonten Gedicht „Die Forelle“ inspirierte. Die Tatsache, dass weder Schubart noch Schiller und Hölderlin Hochdeutsch sprachen, führte Ehlers schließlich über Brechenmachers schwäbische Wortgeschichten über das generische Neutrum im Schwäbischen (der Artikel „des“ und die Endung „-le“, z.B. „des Schlamperle“ erübrige jegliches Gendern) hin zum lustigen Melancholiker Thaddäus Troll. Dessen selbstironische Ausführungen über das Hab und Gut des Schwaben und dessen Sparsamkeit erheiterten die Gäste. Der Schwabe, so erfuhr man, spare sogar am Licht… – beim abendlichen Lesen knipse er das Nachttischlämple während des Umblätterns aus, und den zweiten Advent feiere er mit einer Kerze vor dem Spiegel.
Gar nicht sparsam, sondern üppig und ausgesprochen schmackhaft war die anschließende Bewirtung: hausgemachte „Alb-Leisa“ gab es, Linsen von der Schwäbischen Alb, mit Saitenwürstle und Brot. Gestärkt an Leib und Geist ließen die Gäste bei einem Viertele den Abend ausklingen – auf Schwäbisch baatschend, und dem Ehepaar Ehlers ordentlich Applaus batschend! Den Zusammenhang zwischen baatschen (schwatzen) und batschen (klatschen) hatte Ehlers zuvor eindrücklich dargestellt. Solche sprachlichen Leckerbissen machen Lust auf mehr!
Wer sich für die Literatur in und über Maulbronn interessiert, wird sicher im kleinen städtischen Literaturmuseum „Besuchen – Bilden – Schreiben“ über dem Kloster-Infozentrum fündig.
(Text: Claudia Hermsen)