
In diesen Tagen präsentiert sich dem aufmerksamen Waldbesucher eine Pflanzenart, die zwar fast jeder kennt, ihr aber normalerweise keine Beachtung schenkt. Es ist der gemeine Efeu! „Ein Zeitgenosse der total zum politischen Diskurs passt“, schmunzelt Stadtförster Ulrich Klotz, denn es ist sowohl möglich und korrekt, das maskuline Genus, der Efeu, als auch das neutrale Genus, das Efeu, zu verwenden!
„Der Efeu ist eine Charakterart des heimischen Waldes und hat innerhalb des Ökosystems Wald eine ganz wichtige Funktion als Nahrungsquelle für Insekten und Vögel. Er ist keineswegs als Plage oder gar als Parasit zu sehen!“ erklärt Klotz. Der immergrünen Kletterpflanze werden im Volksglauben nämlich zahlreiche schädigende Wirkungen nachgesagt. So soll der Efeu die Trägerbäume aussaugen, sie erdrosseln und vom Zugang zu Luft und Licht abschneiden. „Dem ist keineswegs so!“ widerspricht Förster Klotz. „Im Gegenteil, die positiven Wirkungen des Efeus sind viel größer, als man sich das gemeinhin vorstellt!“
Die Ummantelung durch die immergrüne Pflanze schützt den Stamm des Trägerbaumes ganzjährig vor Sonneneinstrahlung und Klimaextremen und bietet Kleintieren und Vögeln einen geschützten Lebensraum. Der Efeu nimmt mit seinen Wurzeln selbstständig Wasser und Nährstoffe im Erdreich auf, betreibt ganzjährig Photosynthese und trägt ab einem gewissen Alter mehrsamige Beerenfrüchte.
„Das Besondere am Efeu ist, dass sich die Blüten im September und Oktober entwickeln und in dieser Zeit zahlreich von Bienen, Wespen und Schwebfliegen zur Nektaraufnahme besucht werden“ begeistert sich Förster Klotz. „Wo sonst können Insekten zu dieser Jahreszeit noch Nektar finden? So gestärkt fällt den Insekten dann das Überwintern leichter und die Überlebensrate bis zum Frühjahr ist größer.“
Auch Vögel profitieren vom antizyklischen Verhalten des Efeus. So wachsen und reifen die Beeren während des Winters heran und bieten den Singvögel im zeitigen Frühjahr eine willkommene Bereicherung des kargen Futterangebots.
„Das selbstermächtigte Abschneiden und Abhacken von Efeuranken im Wald, ist eine Unart“, führt Ulrich Klotz aus. „Die Leute verstehen einfach nicht, dass sie dadurch mehr schaden als nützen!“ Der Stadtförster wünscht sich, dass die ökologischen Zusammenhänge mehr ins Bewusstsein der Menschen gelangen. Schließlich ist der Wald nicht nur unsere grüne Lunge, sondern vor allem eine Lebensgemeinschaft von vielen Pflanzen und Tieren.
